Fragen und Antworten
Änderungen im Polizeiaufgabengesetz (PAG)
Was ist das PAG?
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Die Polizei wird zum einen im Rahmen der Strafverfolgung tätig (sog. repressives Tätigwerden nach der Strafprozessordnung). Zum anderen handelt die Polizei präventiv. Das bedeutet, dass das Ziel der Polizei ist, Gefahren von Menschen und anderen Rechtsgütern abzuwenden sowie Straftaten zu verhüten und dadurch den Eintritt eines Schadens zu verhindern. Für diesen präventiven Bereich gilt das Bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG).
Warum wird das PAG wieder geändert?
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Im Wesentlichen beruht die beabsichtigte Gesetzesänderung auf drei Punkten:
- Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.12.2022, Az. 1 BvR 1345/21, welche ursprünglich zu Vorschriften des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV) erging
- Schaffung einer Rechtsgrundlage für eine verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform für die Bayerische Polizei
- Fortentwicklung des Gesetzes an die technischen Entwicklungen und Anforderungen der Praxis
Was wird geändert?
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Schwerpunkte sind die neue Rechtsgrundlage für die 'Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform' im PAG, kurz VeRA, sowie weiterer Änderungsbedarf unter anderem aufgrund aktueller Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. "Ziel unseres Gesetzentwurfes ist, die Möglichkeiten der Polizei zur effektiven Gefahrenabwehr und Verhütung von Straftaten weiter zu stärken", erklärte Herrmann. "Der Grundrechtsschutz der Bürger, der Datenschutz und die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts sind uns dabei sehr wichtig."
Hinsichtlich VeRA wies der Innenminister darauf hin, dass das Bundesverfassungsgericht im Urteil über die 'Automatisierte Datenauswertung durch die Polizei in Hessen und Hamburg' vor rund einem Jahr die automatisierte Datenauswertung unter einschränkenden Voraussetzungen als grundsätzlich möglich erachtet hat. Laut Herrmann wird mit der geplanten Rechtsgrundlage sichergestellt, dass die Analysesoftware nur unter den vom Bundesverfassungsgericht formulierten Voraussetzungen und Maßgaben eingesetzt werden kann. Zudem wird die neue Analysesoftware nur innerhalb des Polizeinetzes und ohne Verbindung zum Internet eingesetzt werden. "Ein Zugriff auf die Daten von außen oder ein Datenabfluss auf externe Server ist damit ausgeschlossen", erklärte Herrmann. Nur besonders ausgewählte und speziell geschulte Polizeiexperten werden eine Zugriffsberechtigung bekommen. "Erst wenn die neue Rechtsgrundlage in Kraft getreten ist, werden wir den Echteinsatz von VeRA starten", betonte Herrmann. Mit VeRA werde die Bayerische Polizei vorhandene Daten schneller und effektiver auswerten sowie miteinander verknüpfen können. Das helfe, Gefährder und Banden schneller zu ermitteln, kriminelle Netzwerke leichter zu entdecken, mögliche Opfer besser zu schützen und Straftaten möglichst im Vorhinein zu verhindern.
Laut Herrmann werden einige Vorschriften des PAG aufgrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern vorsorglich angepasst, auch wenn bisher keine verfassungsgerichtliche Beanstandung der bayerischen Vorschriften vorliegt. Dies betrifft einerseits die Voraussetzungen der heimlichen Wohnungsbetretung durch die Polizei, wenn diese zur Vorbereitung verdeckter Maßnahmen beispielsweise Technik einbauen muss. Andererseits ist der Kernbereichsschutz beim gefahrenabwehrrechtlichen Einsatz von Verdeckten Ermittlern und Vertrauenspersonen zu präzisieren. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Kernbereich privater Lebensgestaltung als letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit zu wahren, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist. Dazu gehören beispielsweise Gespräche mit engsten Vertrauten. Verdeckte Ermittler müssen ihren Einsatz in der Regel immer dann abbrechen, wenn der Kernbereich berührt wird, sofern dadurch nicht ihr Leib oder Leben in Gefahr gerät.
Wie Herrmann erläuterte, soll darüber hinaus im PAG eine Rechtsgrundlage zur Übermittlung von Bildmaterial von an gefährdeten Objekten angebrachten Kameras an die Polizei verankert werden, soweit die Polizei an diesen Orten selbst Kameras aufstellen dürfte. Das betrifft beispielsweise die Videoüberwachung an großen Verkehrsknotenpunkten wie an Bahnhöfen oder Flughäfen. Zudem wird im Gesetzentwurf die Durchführung von Verkehrskontrollen durch die Wasserschutzpolizei präzisiert. Des Weiteren soll die Bayerische Polizei künftig auch gegenüber denjenigen Personen Platzverweise aussprechen dürfen, die Polizeieinsätze behindern. Geplant ist auch, dass die Bayerische Polizei künftig Meldeauflagen unter den gleichen Voraussetzungen wie die allgemeinen Sicherheitsbehörden, also die Gemeinden, aussprechen kann.
Nach Herrmanns Worten sollen im POG Unterstützungspflichten der Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel und Verkehrsflughäfen gegenüber der Polizei normiert werden. Dabei geht es beispielsweise um die Bereitstellung von Räumlichkeiten und Parkplätzen an den großen bayerischen Bahnhöfen und Flughäfen.
Im LStVG soll ein neuer Bußgeldtatbestand eingeführt werden, beispielsweise wenn jemand gegen Meldeauflagen oder Aufenthaltsverbote von Gemeinden verstößt. Außerdem macht die Novelle zur Bußgeldkatalog-Verordnung eine Anpassung des Einsatzbereichs von Polizeiangestellten zur Überwachung des ruhenden Verkehrs erforderlich. Polizeiangestellte sollen künftig auch Verkehrsordnungswidrigkeiten mit Bußgeldern ab 60 Euro anzeigen können, zum Beispiel wenn Falschparker Radlfahrer auf Radwegen behindern.
1. Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
Was hat das Bundesverfassungsgericht entschieden?
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Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mit am 01.02.2023 veröffentlichtem Beschluss vom 09.12.2022, Az. 1 BvR 1345/21, mehrere Vorschriften des Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV) mit dem Grundgesetz für unvereinbar erklärt. Nach Auffassung des BVerfG sind die angegriffenen Vorschriften u. a. verfassungsrechtlich unzureichend mit Blick auf die Voraussetzungen der heimlichen Wohnungsbetretung durch die Polizei zur Vorbereitung einer Online-Durchsuchung oder einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung sowie den Kernbereichsschutz beim gefahrenabwehrrechtlichen Einsatz von VE und VP.
Warum hat die Entscheidung Auswirkungen auf das PAG?
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Das PAG war zwar nicht Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Verfahrens, jedoch enthält die Entscheidung verallgemeinerungsfähige Ausführungen. Die Folgerungen aus der Entscheidung könnten auch auf das PAG bezogen werden. Es soll deshalb vorbeugend auf diese Möglichkeit reagiert werden, auch wenn bisher keine verfassungsgerichtliche Beanstandung des PAG vorliegt.
Was genau wird geändert?
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Zur Umsetzung der o. g. Rechtsprechung des BVerfG zu SOG MV erfolgen im PAG hierzu folgende Ergänzungen und Änderungen:
a. Konkretisierung der Voraussetzungen für das heimliche Betreten und Durchsuchen von Wohnungen zur Vorbereitung verdeckter technischer Maßnahmen (vgl. Art. 41, 44, 45 PAG); Richtervorbehalt auf Vorbereitungshandlungen erstrecken.
b. Konkretisierung der Ausnahme vom Abbruchsgebot der Datenerhebung beim Eindringen in den Kernbereich bei gefahrenabwehrrechtlichem Einsatz von VE und VP (vgl. Art. 49 PAG).
c. Einführung von Prüf- Dokumentations- und Löschpflichten beim gefahrenabwehrrechtlichen Einsatz von Verdeckten Ermittlern (VE) und Vertrauenspersonen (VP) zum Schutze des Kernbereichs (vgl. Art. 49 PAG).
Im Detail: Betreten und Durchsuchen von Wohnungen zur Vorbereitung verdeckter technischer Maßnahmen
Welche Maßnahmen sind betroffen?
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Betroffen sind das heimliche Betreten und Durchsuchen von Wohnungen zur Vorbereitung verdeckter technischer Maßnahmen. Dies sind die Wohnraumüberwachung (vgl. Art. 41 PAG), die Telekommunikationsüberwachung (vgl. Art. 42, 44 PAG) oder die Online-Durchsuchung (vgl. Art. 45 PAG).
Welche Voraussetzungen werden konkretisiert?
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Das heimliche Betreten und Durchsuchen von Wohnungen zur Vorbereitung verdeckter Maßnahmen (vgl. Art. 41, 44, 45 PAG) ist nur zulässig, wenn auch die Voraussetzungen der jeweiligen verdeckten Maßnahme vorliegen. Zu Zeitpunkt der Vorbereitungshandlung muss also auch schon die ganz besondere Gefahrenlage vorliegen. Das Gesetz erfordert eine dringende Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut nach Art. 11a Abs. 2 Nr. 1, 2 und 4 PAG. Dies wird im Gesetz klar herausgestellt.
Was ändert sich in der polizeilichen Praxis?
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Für die Praxis ergeben sich keine Änderungen. Vorbereitungshandlungen verdeckter Maßnahmen in Wohnungen wurden bislang nur vorgenommen, wenn auch die Voraussetzungen der verdeckten Maßnahmen vorlagen. Hierüber entscheidet nach dem Gesetz ein Richter (Richtervorbehalt).
Im Detail: Einsatz von Verdeckten Ermittlern (VE) und Vertrauenspersonen (VP)
Was ist der gefahrenabwehrrechtliche Einsatz von VE und VP
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Verdeckte Ermittler (VE) sind speziell ausgewählte und ausgebildete Polizeibeamte, die unter einer ihnen verliehenen, auf Dauer angelegten, veränderten Identität (Legende) ermitteln.
Vertrauenspersonen (VP) sind private Personen, die für die Polizei gezielt Informationen erhebt. Dritten ist die Zusammenarbeit mit der Polizei nicht bekannt. Die Identität wird grundsätzlich geheim gehalten, um die VP nicht zu gefährden.
Der Einsatz von VE und VP dient im Wesentlichen dazu, die Begehung schwerwiegender Straftaten zu verhindern oder kriminelle Strukturen zu erkennen und aufzudecken.
Was ist der Kernbereich?
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Der Kernbereich privater Lebensgestaltung ist der Teil der Intim- und Privatsphäre eines Menschen, der gegen staatliche Eingriffe absolut geschützt ist.
Was passiert, wenn die Polizei in den Kernbereich eindringt?
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Die Maßnahme ist unverzüglich zu unterbrechen oder zu beenden. Kernbereichsdaten dürfen nicht weiterverarbeitet werden und sind zu löschen.
Welche Besonderheiten ergeben sich beim Einsatz von VE und VP?
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Beim Einsatz von VE und VP vor Ort kann es vorkommen, dass diese in so nahen Kontakt mit der Zielperson kommen, dass ein Abbruch der Maßnahme nicht möglich ist, ohne sich selbst oder den Einsatz zu gefährden. Hier besteht ein Unterschied zu technischen Überwachungsmaßnahmen, deshalb hat das BVerfG eine Ausnahme für diese Fälle als verfassungsrechtlich zulässig erklärt. Diese werden im Gesetz ausdrücklich geregelt.
Welche Ausnahme des Abbruchsgebots hat das BVerfG für zulässig erklärt?
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Ein Einsatz von VE und VP, welcher in den Kernbereich eindringt, muss nicht unverzüglich abgebrochen werden, wenn ansonsten Leib oder Leben der eingesetzten Personen in Gefahr gerieten oder der weitere Einsatz der VE und VP gefährdet wird.
Heißt das, dass der Einsatz nicht abgebrochen wird?
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Doch. Die Besonderheit besteht darin, dass der Einsatz nicht unverzüglich abgebrochen wird, sondern dann, wenn keine Gefahr mehr für die eingesetzten Personen besteht. Eine Enttarnung führt sonst zu einer erheblichen Gefahr für Leib und Leben der Person.
Im Anschluss wird dann geprüft, ob der Einsatz weitergeführt werden kann, ohne den Kernbereich weiter zu verletzen oder ob der Einsatz endgültig beendet wird.
Im Detail: Prüf-, Dokumentations- und Löschpflichten
Was sind sog. „Kernbereichsdaten“?
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Gemäß Art. 1 Abs. 1 GG ist die Würde des Menschen unantastbar. Deren Achtung und deren Schutz ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Um diesen höchsten Rechtswert des Grundgesetzes zu schützen, ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stets ein letzter unantastbarer Bereich menschlicher Freiheit zu wahren, der der Einwirkung der gesamten öffentlichen Gewalt entzogen ist, der sogenannte „Kernbereich privater Lebensgestaltung“.
Eine abstrakte, abschließende Definition dieses Begriffs existiert nicht. Das Bundesverfassungsgericht umschreibt den Kernbereich privater Lebensgestaltung jedoch in seinen Entscheidungen mithilfe von Beispielen.
Zur Entfaltung der Persönlichkeit im Kernbereich privater Lebensgestaltung gehört demnach die Möglichkeit, innere Vorgänge, wie Empfindungen und Gefühle sowie Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck zu bringen (z.B. Gespräche mit engsten Vertrauten, Selbstgespräche), ohne Angst, dass staatliche Stellen dies überwachen. Hiervon sind u.a. Gefühlsäußerungen, Äußerungen des unbewussten Erlebens sowie Ausdrucksformen der Sexualität umfasst, also alle Vorgänge, die das Wesen der jeweiligen Persönlichkeit in ihrem Innersten offenbaren.
Konkret können hiernach intensive Liebesbezeugungen, Selbstmordgedanken, Gespräche über Abtreibung, schwere Krankheiten, geheim gehaltene Schwächen/Neigungen oder Todesangst genannt werden.
Was passiert mit den Informationen aus dem Kernbereich?
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Kernbereichsdaten dürfen nicht weiterverarbeitet werden. Sie sind unverzüglich zu löschen.
Was ändert sich in der polizeilichen Praxis?
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Dieses Vorgehen entspricht bereits der gesetzlichen Regelungslage und wird auch schon so von der Polizei so praktiziert.
Was fordert das BVerfG?
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Das BVerfG fordert von der Polizei neben der Löschung auch eine Prüfpflicht, ob der Kernbereich tatsächlich verletzt wurde. Die Prüfung und die Löschung sind zu dokumentieren. Wird ein Einsatz unterbrochen oder aufgrund der Ausnahme des Abbruchsgebots nicht unterbrochen, ist dies ebenso zu dokumentieren. Die Dokumentationspflicht ermöglicht eine spätere Kontrolle. Der Inhalt der Kernbereichsdaten wird aber nicht dokumentiert, da diese gelöscht werden müssen.
Wer prüft, ob Kernbereichsdaten betroffen sind?
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Sowohl die VE und VP als auch die jeweiligen Führungspersonen der Polizei, die den Einsatz der eingesetzten Personen begleiten, prüfen, ob in den Kernbereich eingedrungen wurde und somit Kernbereichsdaten vorliegen. Ist dies der Fall, dann werden die Informationen nicht weiterverarbeitet, sondern werden gelöscht.
Was, wenn die Personen Zweifel haben, ob Kernbereichsdaten vorliegen?
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Liegen Zweifel vor, ob Kernbereichsdaten vorliegen, entscheidet hierüber eine unabhängige Stelle. Dies ist die unabhängige Zentrale Datenprüfstelle der Bayerischen Polizei (Art. 13 POG) beim Bayerischen Polizeiverwaltungsamt.
Was ist die Zentrale Datenprüfstelle und was macht sie?
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Die Zentrale Datenprüfstelle (ZDPS) wurde 2018 als unabhängige Stelle für Bayern neu eingerichtet und organisatorisch beim Bayerischen Polizeiverwaltungsamt angegliedert. Ihr obliegt der Schutz personenbezogener Daten bei eingriffsintensiven, polizeilichen Maßnahmen nach dem PAG. Der Aufgabenbereich der Zentralen Datenprüfstelle erstreckt sich auf die Überprüfung personenbezogener Daten mit der Feststellung bzw. Löschung kernbereichsrelevanter Inhalte oder Inhalte mit Berufsgeheimnisträgerschutz.
2. Unterstützung der Recherche- und Analysearbeit der Beschäftigten der Bayerischen Polizei
Warum wird der Art. 61a PAG geschaffen?
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Durch das immer weitere Voranschreiten der technologischen Entwicklung wachsen auch die Herausforderungen an eine moderne Polizeiarbeit stetig. Die historisch vorhandene Trennung polizeilicher Systeme und Datenbanken erschwert das Erkennen von gemeinsamen Strukturen, Handlungsmustern, Personengruppen oder anderer Zusammenhänge.
Das moderne Polizeirecht muss daher die zielgerichtete Verarbeitung der im Rahmen der polizeilichen Tätigkeit anfallenden Daten ermöglichen, damit die Sicherheitsbehörden ihrer Aufgabe zum Schutz der Bevölkerung gerecht werden können. Insbesondere zum Erkennen von kriminellen Netzwerken und Banden sowie extremistischen Bestrebungen müssen die Behörden die Möglichkeit haben, aus den anfallenden Datenmengen relevante Informationen möglichst schnell und unter geringem Aufwand herauszufiltern.
Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 16.02.2023 (Az. 1 BvR 1547/19, 1 BvR 2634/20) entschieden, dass eine derartige Auswertung (verfahrensübergreifende Recherche und Analyse) polizeilicher Daten einer spezifischen Rechtsgrundlage bedarf und die Voraussetzungen hierfür weitgehend vorgezeichnet. Diese Rechtsgrundlage wird mit dem Art. 61a PAG geschaffen.
Was regelt der neue Art. 61a PAG?
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Geregelt werden die Fälle in denen die Polizei ihren Datenbestand oder Teile davon mit Hilfe spezieller Software (verfahrensübergreifend) automatisiert durchsuchen darf. Zudem wird eingeschränkt, mit welchen technischen Methoden die eingesetzte Software arbeiten darf und welche Voraussetzungen an die hierbei tätigen Beamten zu stellen sind.
Wann darf die Maßnahme nach Art. 61a PAG angewendet werden?
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Zur Abwehr von Gefahren für besonders gewichtige Rechtsgüter darf die Polizei ihren Datenbestand auf für diesen Einzelfall relevante Informationen durchsuchen. Zu diesen Rechtsgütern zählen Leib, Leben und Freiheit einer Person, der Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes sowie der Schutz von wesentlichen Infrastruktureinrichtungen und sonstigen Sachen mit unmittelbarer Bedeutung für das Gemeinwesen. Damit richtet sich die Eingriffsschwelle nach so engen Voraussetzungen, wie sie ansonsten nur für eingriffsintensive heimliche Überwachungsmaßnahmen gelten.
Zum Schutz von anderen bedeutenden Rechtsgütern, etwa der sexuellen Selbstbestimmung, und zur Verhinderung besonders schwerer Straftaten im Sinn von § 100 b StPO darf die Polizei ihren Datenbestand nur unter eingeschränkten Voraussetzungen durchsuchen. Hierzu gehört eine Beschränkung von Art und Umfang der Datenbanken, welche in die Suche einbezogen werden dürfen. In diesen Fällen muss die Befugnisnorm, wie etwa bei Observationen, zusätzlich durch den Leiter des Landeskriminalamtes oder eines Präsidiums der Landespolizei angeordnet werden. Damit erfolgt eine zusätzliche interne Prüfung, ob die Voraussetzungen auch wirklich vorliegen.
Entscheidet nun eine Maschine gegen wen die Polizei vorgeht?
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Nein. Die eingesetzte Software unterstützt die Polizei im Einzelfall bei der zielgerichteten Recherche und Analyse im eigenen Datenbestand. Alle weiteren Schlussfolgerungen erfolgen weiterhin durch den ermittelnden Beamten.
Kann nun jeder Beamte nach Art. 61a PAG den gesamten Datenbestand der Polizei durchsuchen?
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Nein. Das ist nicht möglich.
Die technischen Hilfestellungen des Art. 61a PAG stehen nur einem sehr kleinen Teil der Polizeibeamten zur Verfügung. Diese Analysten sind auf bestimmte Phänomenbereiche spezialisiert und sollen in diesem Zusammenhang genau definierte Gefahren abwehren können.
Zudem erfolgt je nach Tätigkeitsfeld des Beamten nur eine auf spezifische Treffer eingeschränkte Anzeige der Suchergebnisse. Nur sehr wenige Analysten verfügen über eine uneingeschränkte Suchberechtigung, welche zudem einem nochmaligen Anordnungsvorbehalt des Vizepräsidenten des Bayerischen Landeskriminalamtes oder des betreffenden Polizeipräsidiums unterliegt.
Wie ändert das den Umgang der Polizei mit personenbezogenen Daten?
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Die Regelungen über die Speicherung, Zweckbindung, Zweckänderung und Löschung von bei der Polizei gespeicherten personenbezogenen Daten werden durch das neue Gesetz nicht gelockert, vgl. Art. 61a Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 2 PAG. Art. 61a PAG gibt insofern nicht die Befugnis zur Erhebung neuer Daten. Insbesondere dürfen das Internet oder soziale Netzwerke auf diese Weise nicht durchsucht werden.
Was genau macht das neue Programm VeRA?
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Das Programm unterstützt den Analysten bei der Recherche durch Zusammenführung und Abgleich der Daten. Das Programm schafft die Möglichkeit die angebundenen Bestandsdatenbanken automatisiert zu durchsuchen und die Ergebnisse anschließend aufzubereiten. Dabei stehen auch graphische Visualisierungen zur Verfügung. Es werden auch Suchen ermöglicht die bisher nicht quellübergreifend möglich waren, wie z.B. geolokalisierte Suchen. Die Analyseergebnisse können anschaulich und nachvollziehbar aufbereitet werden. Entscheidungen zur Relevanz und ggf. erforderliche Folgemaßnahmen muss der Beamte weiter selbst treffen und gegebenenfalls eine hierfür notwendige (richterliche) Anordnung einholen.
Dabei ist VeRA aber nicht nur schneller, sondern auch datenminimierend.
Als Analogie könnte man sich einen Aktenschrank mit verschiedenen Abteilungen vorstellen, der nur ein relevantes Datum (Name, Kfz-Kennzeichen) enthält. Aktuell müssen Analysten alle Ordner und jede Seite sichten. Dabei nehmen sie alle darin befindlichen Lebenssachverhalte zur Kenntnis. Eine automatische Suche mittels VeRA liefert genau das eine gesuchte Datum. Die übrigen nicht relevanten Sachverhalte bleiben verborgen.
Die Entscheidungen, was gesucht wird und ob die Trefferergebnisse für weitere Analysen geeignet sind, muss der Beamte weiterhin selbst treffen. Ein solche Bewertung darf das Programm nicht selbst vornehmen.
Welche Software wird für die Maßnahme verwendet?
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Es wird die Software „Gotham“ der Firma Palantir Technologies eingesetzt.
Wie findet die Wartung durch die Firma Palantir statt?
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Die Software selbst wird auf Servern eines mehrfach gesicherten Rechenzentrums der Bayerischen Polizei installiert und betrieben. Ein Zugriff von außerhalb dieses Netzwerkes ist nicht möglich. Sofern Wartungen am System durch Mitarbeiter der Firma Palantir notwendig werden, finden diese vor Ort im Rechenzentrum der Bayerischen Polizei und unter Aufsicht der Polizei statt. Die dabei eingesetzten Mitarbeiter werden vor diesem Einsatz sicherheitsüberprüft und es wird sichergestellt, dass es zu keinem Datenabfluss kommt.
Warum verwendet die Polizei ein Produkt des US-amerikanischen Unternehmens Palantir?
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Dem Erwerb der Software ging ein europaweites Vergabeverfahren voraus. Die Firma Palantir Technologies war die einzige Firma, die alle wesentlichen Kriterien im Zuge der Prüfung des Vergabeverfahrens erfüllen konnte. Nach Ende der Vertragsdauer ist auch ein Umstieg auf das Produkt eines anderen Unternehmens möglich, solange dessen Software die einschränkenden Voraussetzungen des Art. 61a PAG einhalten kann.
In welchen Fällen kann „VeRA“ zum Beispiel zum Einsatz kommen?
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- Nach einer Gewalttat unter rivalisierenden Jugendgruppen, besteht aufgrund vorhandener Hinweise die konkrete Gefahr eines erneuten schwerwiegenden Angriffs oder umgekehrt eines möglichen Racheaktes. Hierbei bestehen Hinweise auf ein mögliches Tötungsdelikt zum Nachteil des Rädelsführers einer der Jugendgruppen. Durch Recherchen im polizeilichen Datenbestand können die Beteiligten identifiziert werden und im Anschluss gezielte polizeiliche Maßnahmen zur Aufklärung der Beteiligten umgesetzt werden. Durch anschließende Maßnahmen können dann etwaige geplante Racheaktionen oder erneute Angriffe auf den Geschädigten verhindert werden.
- Bei der Polizei geht ein Anruf ein, bei welchem ein Unbekannter angibt, ein versuchtes Tötungsdelikt gegenüber seiner Mutter begangen zu haben sowie, dass er nunmehr vorhabe, sich in die Luft zu sprengen. Über Recherchen im Datenbestand der Polizei mit der Rufnummer können weitere Vorgänge mit ähnlich gelagerten Sachverhalten ermittelt und Erkenntnisse über den Verdächtigen gewonnen werden. und die Ernsthaftigkeit der Bedrohung kann eingeschätzt werden. Auf dieser Basis kann geprüft werden, welche Folgemaßnahmen erforderlich sind, um eine mögliche Selbsttötung zu verhindern und dem Anrufer und potentiellen Opfern Hilfe zukommen zu lassen.
- Eine kriminelle Gruppierung verfolgt das Ziel, bundesweite Sabotageaktionen an Infrastruktureinrichtungen im Energie-Sektor durchzuführen. Ein daraus resultierender Black-Out soll einen Bürgeraufstand hervorrufen, welcher den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie zur Folge haben soll. Der Aufenthaltsort eines der Beteiligten ist zunächst unbekannt, da dieser laut Einwohnermeldedateien ohne festen Wohnsitz sein soll. Anhand einer Recherche im polizeilichen Datenbestand und daraus gewonnenen Erkenntnissen aus polizeilich erfassten Sachverhalten im Zusammenhang mit dem Gesuchten, kann der vermutete Aufenthaltsort eingegrenzt werden. Darüber hinaus kann anhand des Datenbestands eine Mobilfunknummer festgestellt werden und über weitere polizeiliche Maßnahmen wie z.B. einer Standortfeststellung der Gefährder ermittelt werden. Die Fortführung der Taten kann somit unterbunden und Schaden für den Bestand des Bundes und an lebenswichtigen Infrastruktureinrichtungen abgewendet werden.
- Über einen längeren Zeitraum werden in ganz Bayern durch eine Tätergruppierung Geräte und Bargeld in einem sechsstelligen Wert aus verschiedenen Betrieben entwendet. Durch den Abgleich von Ermittlungsergebnissen mit den polizeilichen Datenbanken können Erkenntnisse zu weiteren, noch nicht aufgeklärten Einbruchsdelikten gewonnen werden. Eine Zuordnung dieser Tatorte zu der Gruppierung wäre ansonsten zeitnah nicht möglich. Weitere konkret zu erwartende Taten können so unterbunden werden.
- Nach einer Gewalttat unter rivalisierenden Jugendgruppen, besteht aufgrund vorhandener Hinweise die konkrete Gefahr eines erneuten schwerwiegenden Angriffs oder umgekehrt eines möglichen Racheaktes. Hierbei bestehen Hinweise auf ein mögliches Tötungsdelikt zum Nachteil des Rädelsführers einer der Jugendgruppen. Durch Recherchen im polizeilichen Datenbestand können die Beteiligten identifiziert werden und im Anschluss gezielte polizeiliche Maßnahmen zur Aufklärung der Beteiligten umgesetzt werden. Durch anschließende Maßnahmen können dann etwaige geplante Racheaktionen oder erneute Angriffe auf den Geschädigten verhindert werden.
In welchen Fällen ist eine vergleichbare Recherche- und Analyseplattform in anderen Bundesländern bereits zum Einsatz gekommen?
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- In Hessen konnte beispielsweise ein geplanter Anschlag verhindert werden. Nach Hinweisen auf die geplante Tat konnte durch den Einsatz einer Analyseplattform große Mengen an gesicherten Daten ausgewertet werden. Ausgedruckt hätten diese etwa 150 Leitzordnern entsprochen. Durch die Analyseplattform war es möglich, diese unstrukturierten Massendaten schnell mit dem hessischen Datenbestand abzugleichen und die notwendigen Erkenntnisse zur Ermittlung und Festnahme des Gefährders gewinnen zu können. Anderenfalls hätte der Anschlag möglicherweise nicht verhindert werden können.
- In Nordrhein-Westfalen konnte ebenfalls ein Anschlag auf eine Schule verhindert werden. Gegen Mitternacht erhielt die Polizei die Anfrage zur Telefonnummer des Gefährders, der am kommenden Morgen zu Schulbeginn einen Anschlag in einer Schule geplant hatte. Die Ortung des zugehörigen Mobiltelefons konnte aufgrund fehlender entsprechender Daten zur Standortbestimmung nicht erfolgen. Diese Daten hätte die Ermittlungskommission frühestens im Laufe des späten Vormittags, bzw. aus einer Abfrage der Verkehrsdaten frühestens nach 36 Stunden erhalten. Über die Analyseplattform konnten anhand der Telefonnummer innerhalb von wenigen Sekunden aus den vorhandenen Verkehrsdatensätzen sowohl die zur Ortung benötigten Daten, als auch drei relativ häufig kontaktierte, andere Rufnummern ermittelt werden. So konnte nach insgesamt neun Minuten mit der Suche nach dem Verdächtigen begonnen werden. Der Verdächtige konnte am Wohnort nicht geortet werden, jedoch am Wohnort des Anschlussinhabers der häufig kontaktierten Rufnummern. Der Beschuldigte und seine Kontaktperson konnten so noch vor Schulbeginn – durch ein Sondereinsatzkommando festgenommen werden. Ohne den Einsatz der Analyseplattform hätten diese entscheidenden Informationen erst 36 bis 48 Stunden später vorgelegen – damit wäre der Anschlag höchstwahrscheinlich erfolgt.
- In Hessen konnte beispielsweise ein geplanter Anschlag verhindert werden. Nach Hinweisen auf die geplante Tat konnte durch den Einsatz einer Analyseplattform große Mengen an gesicherten Daten ausgewertet werden. Ausgedruckt hätten diese etwa 150 Leitzordnern entsprochen. Durch die Analyseplattform war es möglich, diese unstrukturierten Massendaten schnell mit dem hessischen Datenbestand abzugleichen und die notwendigen Erkenntnisse zur Ermittlung und Festnahme des Gefährders gewinnen zu können. Anderenfalls hätte der Anschlag möglicherweise nicht verhindert werden können.
3. Platzverweises zur Bekämpfung der Behinderung von Polizeieinsätzen und Anpassung der Regelungen über die Meldeauflage
Wie wird die Befugnis des Platzverweises erweitert?
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Die Polizei kann Personen des Platzes verweisen, die den Einsatz der Feuerwehr, oder von Hilfs- oder Rettungsdiensten behindern (vgl. Art 16 Abs. 1 S. 2 PAG). Dies wird erweitert auf den Einsatz der Polizei.
Warum bedarf es einer Erweiterung?
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Die Erweiterung ermöglicht der Polizei unterhalb einer Schwelle einer konkreten Gefahr Maßnahmen zu treffen gegen Personen, welche durch ihr Verhalten den Polizeieinsatz behindern. Dies stellt sicher, dass die Polizei ihren Einsatz ohne Behinderung von z. B. Neugierigen und Schaulustigen durchführen kann.
Wann kann eine Meldeanordnung erlassen werden?
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Eine Meldeanordnung war bislang nur bei Vorliegen einer drohenden oder konkreten Gefahr für ein bedeutendes Rechtsgut im Sinn von Art. 11a Abs. 2 PAG möglich. Es gibt aber auch konkrete Gefahrensituation unterhalb der Schwelle von bedeutenden Rechtsgütern, die durch den Erlass einer Meldeanordnung abgewehrt werden können. Dies sind Gefahren für Eigentum, Vermögen oder sexuelle Selbstbestimmung im niederschwelligen Bereich. Dies ist der Fall, wenn Sachbeschädigungen zu erwarten sind oder sonstige Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.
Welche Anwendungsfälle ergeben sich durch die Änderung?
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Hauptanwendungsfälle in der Praxis sind Meldeanordnung gegen Hooligans bei Fußballspielen oder Fälle der häuslichen Gewalt.
Was wird durch die Änderung verbessert?
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Diese Eingriffsschwelle der Meldeanordnung wird an die Vorgaben für Meldeanordnungen der allgemeinen Sicherheitsbehörden nach dem LStVG angepasst. Dieser Gleichlauf schließt eine gesetzliche Lücke in Fällen bei Gefahr im Verzug. Die Polizei kann nunmehr auch die Gefahren der Hauptanwendungsfälle bei Gefahr im Verzug effektiv mit den gleichen Mitteln wie die Sicherheitsbehörden abwehren.
4. Befugnisse der Wasserschutzpolizei bei Verkehrskontrollen
Wer ist die Wasserschutzpolizei?
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Die Wasserschutzpolizei ist Bestandteil der Bayerischen Landespolizei. Wasserschutzpolizeigruppen gibt es bei den Polizeiinspektionen oder Verkehrspolizeiinspektionen an den Bundeswasserstraßen, die größten bayerischen Seen und der bayerische Teil des Bodensees werden von wasserschutzpolizeilich ausgebildeten Beamten der hier zuständigen Polizeiinspektionen betreut.
Welche Aufgaben hat die Wasserschutzpolizei?
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Die Wasserschutzpolizei gewährleistet die Sicherheit der Mitbürgerinnen und Mitbürger auf den Wasserstraßen und Seen und nimmt dazu auch anlasslose Verkehrskontrollen vor (ähnlich wie die Polizei im Straßenverkehr). Dies beinhaltet die Überwachung der Berufsschifffahrt und des Sportbootverkehrs auf den Wasserstraßen und Seen, die Kontrolle der Transporte gefährlicher Güter auf den Binnenschifffahrtsstraßen sowie der Schutz der Gewässer und der gewässernahen Natur. Selbstverständlich werden auch die allgemeinpolizeilichen Aufgaben in ihren Dienstbereichen von der Wasserschutzpolizei wahrgenommen.
Was wird geregelt?
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Die Regelung des § 28 Bayerische Schifffahrtsverordnung (BaySchiffV) enthält Duldungspflichten der Schiffsführer. Die Schiffsführer sind dazu verpflichtet, die Polizei bei der Prüfung der Wasserfahrzeuge und deren Ausstattung zu unterstützen. Diese Pflichten der Schiffsführer werden nun durch Art. 29 PAG ergänzt. Die Polizei erhält hierdurch klarstellend Befugnisse zum Anhalten, Prüfen und Betreten von Wasserfahrzeugen und der deren Betrieb dienenden Anlagen, sowie zur Durchführung von Verkehrskontrollen und zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften der BaySchiffV auf oberirdischen Gewässern mit Ausnahme des Bodensees und der Bundeswasserstraßen. Hierdurch kann die Polizei die Einhaltung der schifffahrtsrechtlichen Bestimmungen kontrollieren. Wasserschutzpolizeiliche Kontrollen auf den Bundeswasserstraßen erfolgen auf Grundlage des Binnenschifffahrtsaufgabengesetzes, auf dem Bodensee aufgrund der Bodenseeschifffahrtsverordnung.
Welche Änderungen ergeben sich für die Schiffsführer?
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Die Verpflichtungen der Schiffsführer aus § 28 BaySchiffV zur Unterstützung der Wasserschutzpolizei bei der Durchführung der Verkehrskontrollen auf bayerischen Gewässern werden durch die Regelungen des Art. 29 PAG nicht verändert oder erweitert.
5. Anfertigung von Bildmaterial in sog. gefährdeten Objekten
Warum braucht es die neuen Vorschriften zur Anfertigung von Bildmaterial an sog. gefährdeten Orten?
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Für private (und öffentlich-rechtliche) Betreiber stationärer Kameras (Bildaufnahme- und Bildaufzeichnungsgeräte) an und in den in Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 PAG genannten gefährdeten Objekten war bisher unklar, in welchem Fall sie zur Übermittlung von (vorhandenem) Bild- und Videomaterial an die Polizei verpflichtet waren. Durch die neuen Vorschriften soll diesbezüglich Rechtssicherheit geschaffen werden, in dem klargestellt wird, dass, wenn die Polizei selbst Bilder (Fotos, Videos) hätte anfertigen dürfen, die Betreiber zur Unterstützung der Polizei zur Übermittlung des Bildmaterials an jene verpflichtet sind. Alternativ kann die Verpflichtung dadurch erfüllt werden, dass die privaten Betreiber der Polizei die Nutzung der Kameras gestatten.
Diese neu geschaffene Verpflichtung der Betreiber von stationären Kameras dient der Effektivität der Gefahrenabwehr durch die Polizei und der Verhütung von Straftaten, insbesondere im Zusammenhang mit Großveranstaltungen wie etwa Fußballspielen oder Volksfesten. Aber auch im Bereich des öffentlichen Verkehrs stellt die geschaffene Möglichkeit eines Zugriffs auf das Bildmaterial eine Unterstützung bei der Wahrnehmung landespolizeilicher Aufgaben dar, beispielsweise an größeren Bahnhöfen oder Straßenbahnhaltestellen, an denen in der Vergangenheit Gefahren oder Straftaten zu verzeichnen waren.
Die Polizei darf die Videos nur dann anfordern, wenn sie diese selbst über Art. 33 Abs. 1 und 2 PAG anfertigen dürfte. Die neue Regelung führt dazu, dass bereits vorhandene Kameras genutzt werden und keine neuen mehr aufgestellt werden müssen.
6. Klarstellung in Bezug auf die Begriffe der „Bildaufnahme“ und „Bildaufzeichnung“
Was sind die Hintergründe für die Änderung im Zusammenhang mit den Begriffen „Bildaufnahmen“ und „Bildaufzeichnungen“?
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Das Begriffspaar Bildaufnahmen und -aufzeichnungen ist schon länger Bestandteil des PAG. Die Abgrenzung der beiden Begriffe wurde vormals anhand des jeweiligen Mediums vorgenommen. So wurde unter Bildaufnahmen „Fotos“ und unter Bildaufzeichnungen „Videos“ verstanden.
Spätestens mit den notwendigen Änderungen aufgrund der europarechtlichen Vorgaben im Datenschutzrecht wurde jedoch mehr und mehr das Kriterium der Speicherung in den Mittelpunkt gerückt. Anknüpfend an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof, der die Speicherung als nächste Stufe zur Erhebung von personenbezogenen Daten sieht und bei einer solchen Speicherung einen vertieften Rechtseingriff annimmt, soll nun eine Klarstellung im PAG erfolgen.
Die Klarstellung hat zum Ziel, jede Bildaufnahme begrifflich als Anfertigung von Bildmaterial ohne weitere Speicherung anzusehen, während bei einer Bildaufzeichnung eine solche Speicherung miterfasst ist.
Änderungen oder gar eine Herabsetzung von Voraussetzungen zur Durchführung der polizeilichen Maßnahme sind damit nicht verbunden.
Dürfen Polizeibeamte jetzt erleichtert Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen anfertigen?
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Nein. Die Voraussetzungen an die Anfertigung von Bildaufnahmen oder -aufzeichnungen bleiben unverändert. Die Klarstellung soll vielmehr eine leichtere Zuordnung der Erhebungsvoraussetzungen ermöglichen, sodass der einzelne Polizeibeamte gesicherter das für die Erledigung seiner Aufgaben erforderliche Medium bestimmen kann.
Weiterhin ist die Anfertigung von Einzelbildern (Fotos) bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen, auch verdeckt, durch jeden Polizeibeamten möglich. Nur bei Anfertigung von Bildsequenzen (Videos) bedarf es zusätzlich zu den gesetzlichen Erhebungsvoraussetzungen einer Zustimmung des jeweiligen Behördenleiters bzw. einer von diesem dazu bestimmten Person.
Änderungen im Polizeiorganisationsgesetz (POG)
Was ist das POG?
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Das Polizeiorganisationsgesetz (POG) regelt die Organisation und Zuständigkeit der Bayerischen Polizei.
Warum wird das POG geändert?
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Die beabsichtigte Gesetzesänderung beruht auf zwei Punkten:
- Anpassung der Befugnisse der Polizeiangestellten (Art. 2)
- Verpflichtung von Betreibern von öffentlichen Verkehrsmitteln zur Unterstützung der Polizei (Art. 15).
Für weitere Details zu den einzelnen Punkten können die nachfolgenden Fragen herangezogen werden.
1. Anpassung der Befugnisse der Polizeiangestellten
Was wird geändert?
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Nach Art. 2 Abs. 2 POG kann die Polizei zur Verwarnung von Verkehrsteilnehmern Angestellte einsetzen.
Im Rahmen der jüngsten BKatV-Novelle sind zahlreiche Verkehrsordnungswidrigkeiten in den Anzeigenbereich angehoben worden. Dadurch hat sich der Einsatzbereich der Polizeiangestellten im Verkehrsdienst erheblich verkleinert. Mit dem neuen Art. 2 Abs. 2 POG werden Polizeiangestellte zur Feststellung und Erfassung von Verkehrsordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr unabhängig von der Sanktionshöhe ermächtigt. Dadurch wird grundsätzlich der ursprüngliche Aufgabenumfang vor Erhöhung der Regelsätze wieder hergestellt. Der Einsatz der Angestellten erfolgt auf Weisung der zuständigen Polizeidienststelle. Zudem soll mit der neuen Formulierung die Möglichkeit zur Bedienung von Geschwindigkeits- und Abstandsmessgeräten für Angestellte erhalten bleiben. Der Aufgabenumfang beschränkt sich dabei auf die Durchführung der Messung.
Werden dadurch die Befugnisse erweitert?
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Die Befugnisse der Polizei werden dadurch nicht erweitert. Die Änderung bewirkt lediglich, dass die Polizei mehr Aufgaben auf Polizeiangestellte übertragen kann.
Welche Auswirkungen hat dies auf den Bürger?
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So gut wie keine, außer dass im ruhenden Verkehr neben Polizeibeamten auch Polizeiangestellte Verwarnungen und Anzeigen schreiben können.
2. Verpflichtung von Betreibern von öffentlichen Verkehrsmitteln zur Unterstützung der Polizei
Was wird geändert?
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Die Landespolizei nimmt neben der Bundespolizei in Bezug auf öffentliche Verkehrsmittel und Verkehrsflughäfen in erheblichem Umfang Aufgaben der Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung (bei Eisenbahnen des Bundes v. a. bei Verbrechen) wahr. Dadurch wird die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger gewährleistet, zudem müssen die Verkehrsmittelbetreiber weniger eigene diesbezügliche Aufwendungen für ihre Fahrgäste erbringen. Damit die Polizei ihre Aufgaben optimal wahrnehmen kann, werden in Art. 15 POG entsprechende Unterstützungspflichten der Betreiber eingeführt.
Welche Verbesserungen ergeben sich hieraus für die Polizei?
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Beamtinnen und Beamte der Landespolizei erhalten im Zusammenhang mit ihrer dienstlichen Tätigkeit (kostenlosen) Zugang zu den öffentlichen Verkehrsmitteln, sowie zu den dazugehörigen Anlagen und Einrichtungen. Auch können sie die öffentlichen Verkehrsmittel kostenfrei nutzen, sofern die Nutzung zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist (bspw. zur Nacheile).
Was bedeutet das für die Verkehrsmittelbetreiber?
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Die Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel und von Verkehrsflughäfen sollen der Landespolizei benutzbare Flächen, d.h. Räumlichkeiten mit entsprechender Ausstattung und Parkplätze, zur Verfügung stehen, wenn diese zur Aufgabenerfüllung der Polizei benötigt werden.
Wer trägt die Kosten?
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Die den Verkehrsmittelbetreibern zusätzlich entstandenen Kosten für die Bereitstellung der Räumlichkeiten für die Polizei werden diesen erstattet, sofern die Betreiber die Einrichtungen nicht selbst nutzen können.
Änderungen im Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG)
Was ist das LStVG?
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Das Landesstraf- und Verordnungsgesetz (LStVG) enthält u. a. Befugnisse für die allgemeinen Sicherheitsbehörden (Gemeinden, Landratsämter, Regierungen und das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration) zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sowie Bußgeldtatbestände für bestimmte Verstöße. Im Übrigen enthält es Vorschriften, die das Verfahren zum Erlass von Verordnungen regeln.
Warum wird das LStVG geändert?
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Neben den Beugemitteln des Verwaltungsvollstreckungsrechts haben die allgemeinen Sicherheitsbehörden keine Sanktionsmöglichkeiten zur Abwehr von Gefahren und zur Unterbindung von Störungen der öffentlichen Sicherheit bei Zuwiderhandlungen gegen bestimmte Anordnungen (Meldeauflagen, Betretungs- oder Aufenthaltsverbote).
Erhält die Bayerische Polizei im Zuge der Änderung neue Befugnisse?
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Nein, lediglich den bereits oben genannten Sicherheitsbehörden wird die Möglichkeit gegeben bei Verstößen gegen bestimmte Anordnungen Geldbußen zu verhängen.
Was wird geändert?
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Art. 7 LStVG wird um einen Absatz 6 ergänzt, der einen Bußgeldtatbestand für Zuwiderhandlungen gegen Meldeauflagen, Betretungs- oder Aufenthaltsverbote vorsieht. Hierdurch werden neue Sanktionsmöglichkeiten geschaffen, damit die Sicherheitsbehörden Verstöße gegen diese Anordnungen effektiv als Ordnungswidrigkeiten ahnden können.
Was sind Meldeauflagen bzw. Betretungs- oder Aufenthaltsverbote?
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Eine Meldeauflage ist eine Anordnung, die den Adressaten verpflichtet sich in regelmäßigen Abständen für einen bestimmten Zeitraum bei einer bestimmten öffentlichen Stelle zu melden.
Betretungs- oder Aufenthaltsverbote sind Anordnungen, die den Adressaten verpflichten einen bestimmten Ort zu verlassen bzw. ihn für einen bestimmten Zeitraum nicht oder nicht erneut zu betreten.
Ich habe eine Meldeauflage von der Stadt X erhalten. Muss ich nun 3.000 € bezahlen?
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Sofern auf Grundlage des Art. 7 Abs. 2 LStVG eine Meldeauflage, ein Betretungs- oder Aufenthaltsverbot angeordnet wurde und diese Anordnung durch den Adressaten der Anordnung beachtet wird, ist kein Bußgeld zu befürchten. Bei einem Verstoß gegen die oben genannten Anordnungen liegt es hingegen im Ermessen der zuständigen Behörde die begangene Ordnungswidrigkeit zu verfolgen und ggf. zu ahnden. Dabei wird in dem Bußgeldverfahren auch die Höhe des Bußgelds ermittelt. Grundlage für die Zumessung der Geldbuße sind u.a. die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und die Schwere des Verstoßes sowie grundsätzlich auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters.
Änderungen im Gesetz über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustGVerk)
Was ist das ZustGVerk?
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Das Gesetz über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustGVerk) regelt, welche Behörden in Bayern für die jeweiligen Verkehrsbereiche (z. B. Straßenverkehr) zuständig sind.
Warum wird das ZustGVerk geändert?
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Die nun vom Bund erlassene Straßenverkehr-Transportbegleitungsverordnung (StTbV) ermöglicht die Beleihung von privaten Transportbegleitern für Großraum- und Schwertransporte. Sie erhalten dadurch die Befugnis, im Rahmen der Transportbegleitung den Verkehr eigenständig zu regeln. Es ist erforderlich, für den Vollzug in Bayern die entsprechenden Zuständigkeiten zu regeln.
Was wird geändert?
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Das Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration wird ermächtigt zu regeln, wer für die Beleihung, die Aus- und Fortbildung sowie für die Aufsicht der Transportbegleiter zuständig sein wird. Außerdem wird klargestellt, wer mit dem Begriff „Straßenverkehrsbehörde“ in der Straßenverkehr-Transportbegleitungsverordnung (StTbV) gemeint ist.
Erhält die Bayerische Polizei im Zuge der Änderung neue Befugnisse?
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Nein. Die Polizei wird entlastet. Während in der Vergangenheit Großraum- und Schwertransporte häufig von der Polizei begleitet werden mussten, kann diese Aufgabe zukünftig von privaten Transportbegleitern erfüllt werden.
Was hat dies für Auswirkungen für die Bürger?
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Bei der Durchführung von Großraum- und Schwertransporten kann es sein, dass der Verkehr zukünftig nicht mehr durch die Polizei geregelt wird, sondern durch die beliehenen Transportbegleiter. Sie sind für die Verkehrsteilnehmer durch eine auffällige Warnkleidung und durch besonders auffällige Fahrzeuge gut erkennbar.
Gesetzgebungsverfahren
Wird das Gesetz demokratisch vom Parlament beschlossen?
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Ja. Der Bayerische Landtag hat auf dem Weg der parlamentarischen Gesetzgebung in der Schlussabstimmung am 17. Juli 2024 mit Mehrheit der abgegebenen Stimmen den Gesetzentwurf beschlossen.
Wurde der Bayerische Landesbeauftragte für den Datenschutz beteiligt?
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Ja. Nach der Behandlung im Ministerrat wurde dem Bayerischen Landesbeauftragten für den Datenschutz, Prof. Dr. Thomas Petri, der Gesetzentwurf zugeleitet. Diese datenschutzrechtliche Beurteilung des Gesetzentwurfs ist der Staatsregierung wichtig. Den bereits bestehenden hohen Standard im Datenschutz weiter zu sichern, ist ein wichtiges Ziel des Gesetzes.
Wann hat der Bayerische Landtag entschieden?
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Der Bayerische Landtag hat am 17. Juni 2024 nach Zweiter und Dritter Lesung den Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung zu Änderungen des Bayerischen Polizeiaufgabengesetzes (PAG), des Polizeiorganisationsgesetzes (POG) und des Landesstraf- und Verordnungsgesetzes (LStVG) beschlossen.